Schloss

Die (Bau-) Geschichte des Halben Schlosses zu Langenleuba-Niederhain

Die (Bau-) Geschichte des Halben Schlosses wurde in der Vergangenheit noch nicht umfassend erforscht. Mit der Revitalisierung des Objektes begann auch eine Untersuchung der Archivalien und eine Bauforschung zum Halben Schloss. Diese dauert immer noch an und laufend können neue Erkenntnisse erlangt werden. Folgend werden die bisherigen Ergebnisse kurz vorgestellt.

Das Schloss, Zustand um 1830, bis heute die einzige bekannte Gesamtansicht des Objektes

Der Vorgängerbau und erste Erwähnungen

Bereits vor dem Jahr 1300 wird eine Burg in Langenleuba erwähnt. Diese befand sich an der Stelle des heutigen Rittergutes. Diese Anlage diente den Burggrafen von Altenburg zur Sicherung der Grenze zur Mark Meißen. Ab 1329 wurde das Gut an die Wettiner verkauft, welche es wiederum an regionale Adelsgeschlechter als Lehen vergaben. Über die Form und Struktur dieser ursprünglichen Anlage ist bis heute wenig bekannt. Zeichnungen und Beschreibungen dieser Anlage sind aufgrund ihrer geringen Bedeutung nicht erhalten. Gesichert ist, dass es sich bei der Burg um eine Wasserburg (eventuell eine Flussritterburg  mit späterem Ausbau) mit einem umfangreichen Wirtschaftshof handelte. Bereits hier sind eine Brauerei, Stallungen, Mühlen sowie eine eigene Kapelle überliefert. Die Strukturen der mittelalterlichen Anlage haben sich im Rittergut und dem Gelände erhalten. Diese könnten eventuell durch archäologische Untersuchungen genauer bestimmt werden. Im August 2023 konnten bei Grabungen bauliche Reste (Mauerwerk) des Vorgängerbaus im Bereich des Fundamentes des heutigen Schlosses gefunden werden. 

Es ist überliefert, dass bereits vor der deutschen Besiedlung der Region eine Befestigungsanlage am heutigen Standort zwischen den Wasserläufen vorhanden war. Hier handelte es sich um eine Ringburg mit einem Innendurchmesser von ca. 100 Metern. Der historische Wall dieser ersten Befestigung ist heute noch hinter dem Schloss sichtbar. 

Der barocke Neubeu, der Bauherr und der Baumeister

Wie die Anlage am Ende des 17.Jahrhunderts ausgesehen hat ist nicht überliefert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass durch die Kriege der Zeit ein hoher Sanierungsbedarf bestand. Gleichzeitig kommt es von 1690 bis 1730 zu einem regelrechten Bauboom von Herrenhäusern in der Region. Dies ist vor allem durch den wirtschaftlichen Aufschwung nach dem 30jährigen Krieg, sowie die erneute Erstärkung der internationalen Handelsmetropole Leipzig zu begründen. Der große nordische Krieg und die Besetzung des Kurfürstentums Sachsens, verbunden mit den Reperationszahlungen an Schweden, führte dazu, dass gerade reiche Kaufleute Rittergüter außerhalb Sachsens kauften. Hier war die Region um Altenburg durch ihre Nähe und guten Verbindungen nach Leipzig besonders gefragt, da es mit den Ernestinischen Staaten nicht in die Kriege des wittinischen Sachsen verwickelt war. 

Johann von Kuntsch stammte aus einer ehrwürdigen Leipziger Handelsfamilie. Er wurde 1645 in Eisleben geboren. Sein Vater war Gottfried Kuntzsch, dieser heiratete in die Handelsfamilie Bohne in Leipzig ein und übernahm das in ganz Europa vernetzte Handelshaus für Drogen und Gewürze.

Johann und seinem Bruder Christoph, der Jurist und Hofrat zu Altenburg war, gelang es durch ihren Reichtum und ihre Verdienste gegenüber der kaiserlichen Krone 1708 in den Adelsstand erhoben zu werden. Johann von Kuntsch galt laut seinem Epitaph in der Niederhainer Kirche als reicher Mann. Er besaß zu seinen Lebzeiten eine Handelsvertretung für Gewürze mit Sitz im Salzgäßchen Nr. 5, unweit des Leipziger Marktes. Darüber hinaus besaß er weitere fünf Häuser in der Leipziger Innenstadt und einen großen Garten in der Vorstadt von Leipzig. Dem neuen Adelsstand angemessen erwarb er im September 1707 das Rittergut in Langenleuba-Niederhain. Hier errichtete er nach modernen barocken Entwürfen das Schloss.

Eigentlich ist das „Halbe Schloss“ das Herrenhaus eines Gutes, allerdings ist das Gebäude mit seinen 121 Außenfenstern in 18 Fensterachsen an jeder Längsseite sowie 9 Fensterachsen an den kürzeren Seiten ungewöhnlich groß für ein Herrenhaus.

Dazu kommt die reiche Ausstattung mit Stuckdecken, Freitreppen, Pilasterrahmungen, figürlichen Darstellungen an der Fassade sowie dem heute noch erhaltenem Saal mit zwei offenen Kaminen – eindeutig ein Schloss mitten in der thüringischen Provinz!

Das Haus wurde von 1707 bis 1711 nach den Plänen des Leipziger Ratsbaumeisters Johann Gregor Fuchs erbaut: Ein imposantes, zur Erbauungszeit und für die Region hochmodernes Gebäude mit Elementen der italienischen Spätrenaissance. 

Durch die Auswertung von Archivmaterial und verschiedener Datenbanken und Fototheken konnte ein starker Bezug zu frühen Bauten des Dresdner Barocks in der Zeit von 1690 bis 1720 festgestellt werden. Diese Gemeinsamkeiten beziehen sich auf den strukturellen Aufbau der Raumgliederung, der Bauausführung und der verwendeten Schmuckelemente des Gebäudes.

Die architektonische Gestalt des noch vorhandenen Treppenhauses im Nebentrakt von Langenleuba-Niederhain ist identisch mit einem Nebentreppenhaus des ehemaligen Coselischen Palais (Taschenbergpalais) [Baumeister Johann Friedrich Karcher/Baumeister Matthäus Daniel Pöppelmann], weitere äußere Gemeinsamkeiten lassen sich bei einer Entwurfszeichnung für das Taschenbergpalais erkennen. Diese Zeichnung wird Daniel  Pöppelmann zugesprochen und stammt aus dem Jahre 1712. Nimmt man weitere Datailfotografien aus den Nachkriegsjahren der Ruine des Taschenbergpalais zur Hand, lassen sich beim Deckenaufbau, in der Gestaltung der Flure und Rundbögen und im Kellerbereich identische Strukturen finden. Des Weiteren gibt es starke Gemeinsamkeiten bei einem ehemaligen Gebäudekomplex in Dresden. Diese Gebäude wurden durch 1690 durch Johann Georg Starcke und der Kopfbau 1717 von Matthäus Daniel Pöppelmann gebaut. In den Fotoaufnahmen von 1945 sind ein identischer Dachaufbau sowie identische Stuckelemente wie in Langenleuba zu erkennen. 

Das Schloss in Langenleuba-Niederhain ist ein Gebäude, welches sich in der Formensprache und in der Bauausführung im Dresdner Barock verorten lassen kann. Jedoch ist im strukturellen Aufbau der geschlossenen Vierflügelanlage eine starke Verbindung auch zu den in Leipzig entstehenden Messehöfen, die von Johann Gregor Fuchs geschaffen wurden, vorhanden. 

Der oben erwähnte Johann Georg Starcke, der der Baumeister des Palais im Großen Gartens in Dresden, der Alten Handelsbörse in Leipzig und des Gebäudes Rampische Gasse 9 in Dresden ist, könnte in dieser Betrachtung ein spannendes stilistisches Bindeglied sein, da die Stuckarbeiten, die Starcke immer von Giovanni Simonetti ausführen lies, eine auffallende Ähnlichkeit zu den Stuckdecken in Langenleuba erkennen lassen. Die Stuckdecken in Langenleuba sind größtenteils noch in der ersten originalen weißen Fassung erhalten geblieben. Starcke selbst kann aber durch sein Ableben im Jahre 1695 als Baumeister ausgeschlossen werden. Jedoch sein Netzwerk an Bauhandwerkern und Mitarchitekten könnte bei der Errichtung von Langenleuba eine Rolle gespielt haben. 

Eine Nähe von Johann von Kuntsch zu den vorgenannten barocken Persönlichkeiten lässt sich auch daher schließen, da Kuntsch vis-a-vis zur Alten Handelsbörse im Salzgäßchen 5 sein Handelshaus hatte. Zudem war er wie aus einer Leichenpredigt hervorging, gut vernetzt in die Baumeistergilde. Ein Freund von ihm, Gottfried Wagner, selbst Baumeister, Philosoph und Poet stand im engen Kontakt zum Hof August des Starken. Ob Gottfried Wagner, der auch in Dresden und Leipzig mit kleineren Bauten betraut war für den Entwurf infrage kommt, konnte noch nicht abschließen geklärt werden. Seine Gebäude sind kaum erhalten und die Quellenlage ist sehr gering. 

Die Mischung aus Handelshof und Dresdner Barockfassade gepaart mit konstruktiven Gemeinsamkeiten, die in Dresden zu finden sind, sprechen eher für einen Baumeister, der stärker in die Bautätigkeit des barocken Dresden involviert ist. Hierbei könnte Johann Gregor Fuchs, der 1705 von Dresden nach Leipzig wechselte und der enge Verbindungen zu Karcher und Pöppelmann hatte, wieder in den Vordergrund rücken. Für so eine Vernetzung der Baumeister zwischen Leipzig und Dresden spricht auch die Einbeziehung des gleichen Steinbildhauers und seiner Schule. In Leipzig und Dresden lassen sich Bildhauerarbeiten aus der Hand Permosers und seiner Schüler finden. Vergleicht man diese Schmuckelemente mit denen in Langenleuba, sind diese von der gleichen Präzision und Fertigkeit. Es liegt nahe, dass die Schmuckelemente, die im „Halben Schloss“ verbaut wurden, dieser meisterlichen Schule bzw. selbst von Baltasar Permoser stammen.

Bis zum heutigen Stand der Forschung, lässt sich eine genaue Handschrift der Planung nicht feststellen. Was aber feststeht ist, dass in Langenleuba-Niederhain ein zu fast 90 Prozentiger bauzeitlicher barocker Bestand von 1708 bis 1711 vorhanden ist, der in die frühe Phase des Dresdner Barock eingeordnet werden kann. Durch weitere restauratorischen und bauhistorischen Untersuchungen, die derzeit stattfinden und je nach Baufortschritt erweitert werden, werden in den nächsten Jahren belastende Einschätzungen zum Bauplaner entstehen.

Bauherr, Johann von Kuntsch

Das Schloss als Ort der Bildung

Bereits unter Johann von Kuntsch wurde das Schloss und die Gelder, welche aus dem Rittergut erwirtschaftet wurden, für kulturelle und soziale Zwecke verwendet. 1712 verfasste Johann von Kuntsch sein Testament, dieses legte die Umwandlung in ein Familienfdeikomiss (Nach seinem Tod (Mai 1714) und die langfristige Nutzung des Objektes und seiner Einkünfte fest. Aus den Erträgen des Gutes sollten Legate (Stipendien) für Studenten der Kunst und Musik, Handwerks- und Handlungslehrlinge sowie Unterstützungen zur Aussteuer für Bräute ermöglicht werden. Gleichzeitig gingen jährliche Zahlungen an soziale Einrichtungen in Leipzig und dem Thüringer Raum. Der Bildungsgedanke wurde immer dem Zeitbedarf angepasst. So dienten Räume des Schlosses als erste Berufsschule der Region und später auch der allgemeinen Schule. Über sonntägliche Essen mit Vorlesungen sollte bereits im 18.Jahrhundert auch der erwachsenen Bevölkerung ein Zugang zur Bildung ermöglicht werden. Die Bildungsnutzung im Halben Schloss endete mit dem Auszug der Schule im Jahr 1964/65.

Testament von Johann von Kuntsch

Das Schloss nach 1838

Das heutige Erscheinungsbild des Schlosses wird wesentlich durch den Abbruch des Südflügels (Festsaalflügel) bestimmt. Dieser Zustand bestimmt seit 1838 die Außenwirkung des Baukörpers. Im Ort selbst sind bisher zwei verschiedene Begründungen zum Abriss des Südflügels bekannt. Die verbreitete Erzählung zum Schatz in den Grundmauern des Hauses erläutert als Geschichtssage die Niederlegung des Gebäudeteils durch die Familie von Kuntsch. Die Niederlegung des Südflügels ist jedoch eher durch eine Kombination aus verschiedenen Faktoren zu begründen. Im Hausarchiv der Familie von Kuntsch (heute im Staatsarchiv zu Altenburg einsehbar) hat sich ein Schriftverkehr zum Vorgang des Abrisses erhalten, aus diesem wird deutlich, dass die Niederlegung aus wirtschaftlichen Aspekten erfolgte. Das Gebäude war bereits kurz nach Erbauung nur noch sporadisch als Familiensitz genutzt worden. Durch testamentarische Regelungen von Johann von Kuntsch sollte der Bauunterhalt des Objektes die Höhe von 100 Talern nicht überschreiten. Es ist davon auszugehen, dass diese Summe für den baulichen Unterhalt eines solchen Objektes, sowie der Anlagen des Rittergutes inklusive der Infrastruktur nicht ausreichend bemessen war. Bereits 1724 wird von Bauschäden, gerade an der Gründung des Südflügels gesprochen. Gleichzeitig muss die Entscheidung zum Abriss im globalen Zusammenhang des historischen Kontextes stehen. Durch die Verwerfungen der Napoleonischen Kriege wurde auch wirtschaftliche Situation beeinträchtigt und notwendige Wartungsarbeiten blieben aus. Aus den Dokumenten des Archives geht hervor, dass Teile des Objektes (Südflügel) durch französische Truppen als Lazarett genutzt wurden. Dies führte zu starken Beschädigungen und Abnutzungen des Gebäudeteils. Neben den nutzungsspezifischen Gründen müssen auch baukonstruktive Probleme des Gebäudes mit zur Begründung des Abrisses beleuchtet werden. Das Rittergut wurde am 02.07.1707 an Johann von Kuntsch übertragen, bereits 1711 ist der Neubau des Schlosses fertiggestellt. Die kurze Bauzeit von unter 36 Monaten, bei Berücksichtigung der Witterung, muss auch als Ursache gezählt werden. Hier ist vor allem die Erweiterung der mittelalterlichen Burginsel zur Herstellung einer Gründung des Schlosses zu nennen. Laut Aussage des überlieferten Gutachtens kam es hier zu Setzungen, welche als Bestandsgefährdend anzusehen sind. Im Rahmen einer Abwägung wurde sich zur Erhaltung des reduzierten Bestandes entschlossen.

Bisher ist nur eine Darstellung des ganzen Schlosses bekannt, im Gutachten wird jedoch beschrieben, dass es sich beim Südflügel um die Hauptrepräsentationsräume des Objektes handelte. Hier wird auch der ehemalige Festsaal des Schlosses beschrieben. Dieser Saal reichte über 9 zu 7 Fassadenachsen und war 1,5 Geschosse hoch. Da er durch den Abriss verloren ging ist, ist er heute nicht mehr rekonstruierbar. Der verbliebene „kleine Saal“, vermutlich ehemals als Speisesaal geplant, im heute noch vorhandenen Gebäudeteil ist somit der größte Raum des Halben Schlosses.

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Das Halbe Schloss wurde im Gutshauspod vorgestellt, wir bedanken uns für die Möglichkeit. Hier können Sie die ganze Episode zum Schloss kostenfrei online hören. Viel Spaß!